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2. August 2020 von Bernd Boden

Geschichten, Sinn und die Flügel der Hoffnung

Geschichten, Sinn und die Flügel der Hoffnung
2. August 2020 von Bernd Boden

Ein Organ ist etwas, das einen Organismus am Leben hält. Als Schaltzentrale unseres Körpers beansprucht unser Gehirn etwa 20 Prozent seines gesamten Energiebedarfs. Darüber hinaus aber ist unser Hirn auch ein sinnstiftendes Organ. Wie der Sinn in dieses Organ in unserem Kopf kommt, warum sich die Leistung des Hirns nicht darin erschöpft, unsere biochemischen Lebensvollzüge zu koordinieren, sondern wir das unbedingte Bedürfnis haben, die chaotischen Widerfahrnisse des Lebens in ein sinnvolles Ganzes zu überführen, ist wohl das größte Geheimnis des Menschseins, das nach wie vor ungeklärt ist. Alle großen abstrakten Begriffe wie Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit etc. haben hier ihren Ursprung.

„Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber leben muss man es vorwärts“ erkennt Søren Kierkegaard. Als Schriftsteller nimmt man die Optik dieses rückwärtsgewandten Blicks ein, hält in der blinden Vorwärtsbewegung inne, um in Geschichten die Dimensionen dessen auszuloten, was Sinn und Bedeutung ausmachen kann. Die Beschäftigung mit dem rein Faktischen, Objektiven sichert und verbessert unsere physische Existenz, hält uns aber keinen Spiegel vor. Menschen erkennen sich erst in Geschichten.

Die Psychologie hat in den Stationen der sogenannten Heldenreise die Grundmuster der Entwicklungsmöglichkeiten ausgemacht, an denen Menschen wachsen können. Seit undenklichen Zeiten überlieferte Mythen, Märchen und Sagen zeugen davon, welche Schwierigkeiten wir zu überwinden, welche Prüfungen wir zu bestehen und welche Belohnungen wir zu erwarten haben.

Mit dem Setting dieses archetypischen Schatzes an Stationen der Heldenreise spielt der Schriftsteller in immer neuen Facetten und Ausprägungen. So beschäftigt sich der Geschichtenerzähler, der „Seanachie“, wie es im Gälischen heißt, vor dem Hintergrund seiner jeweiligen Zeit und Kultur mit dem, was es ausmacht, Mensch zu sein.

Dabei ist Sinn nie monokausal Ergebnis und Wirkung einer isolierten Ursache. Die Rede davon, dass etwas „Sinn macht“, zeugt von unserem instrumentellen Verständnis der Welt. Sinn aber wird nicht gemacht, sondern entsteht und vollzieht sich in Geschichten. Und Geschichten lassen sich nur bedingt beeinflussen oder gar gezielt hervorrufen. Sie geschehen, sie überkommen uns, sie stoßen uns zu, sie ziehen uns hinauf in rauschendes Glück oder stoßen uns hinunter in bleierne Verzweiflung. Und wir müssen im Rückblick deuten, in welcher Weise sie uns Sinn stiften oder nicht.

Das Prinzip, unter dem wir Geschichten betrachten, sollte daher nicht Kausalität, sondern etwas sein, das Serendipität genannt wird. Schnell, aber damit auch nur unzureichend erklärt, bedeutet Serendipity glücklicher Zufall.

Aber warum lasse ich hier nicht einfach meine Figur Brachvogel zu Wort kommen: „Wir müssen uns nicht damit bescheiden, lediglich eine dünne Decke des Verstehens über die kalte und sinnlos scheinende Wirrnis des Lebens zu breiten, sondern dürfen darauf hoffen, einmal wirkliche Einsicht gewinnen und in die Tiefe gehen zu können. Das Wort dafür lautet Serendipity und bedeutet: Wir können nicht wissen, wo uns das Leben hinführt, in welche Abgründe es uns stoßen und auf welche Höhen es uns führen wird, dürfen aber darauf vertrauen, dass sich alles zum Guten wendet. So kann aus Gutem Schlechtes und aus Schlechtem Gutes erwachsen. Wir aber stehen immer nur im Wirrwarr des Augenblicks und wissen nicht, wie sich dereinst in der Rückschau daraus ein sinnvolles Gesamtbild ergeben wird. Vielleicht werden wir dereinst von einem ungeahnten Sinn ereilt, der unserem Leben eine völlig andere Bedeutung verleihen wird, als wir jetzt schon erahnen könnten.“

Das diesem Posting im Bild vorangestellte Objekt ist dort nicht zufällig, weil es vielleicht schön oder interessant ist, sondern weil es ein Beispiel dafür sein kann, wie durch Geschichten Sinn in die Welt kommt:

Der Phantastikpreis der Stadt Wetzlar ist vergeben. Und ich habe es nicht ins Finale geschafft. Doch schon durch die Nominierung ist vielleicht ein Anfang gemacht.

Faktisch ist dieses während eines Kurzurlaubes in Nordfrankreich zufällig am Strand gefundene Ding lediglich ein durch Reibung und Salzwasser zersetztes Stück Metall, das einmal ein Beschlag oder ein Werkzeug gewesen sein mag. Dem Auge des Betrachters, der es prüfend in der Hand dreht, präsentiert es sich dagegen auch ohne den Einsatz von viel Fantasie als Vogelwesen, als Urvogel, als Archaeopteryx. Lackiert und in einen Ständer aus poliertem Holz gefasst, bieten sich weitere Deutungsmöglichkeiten.

Die Schwingen des Vogels sind neben anderem auch ein Symbol für Hoffnung. Der Phoenix erschuf sich sogar aus der eigenen Asche wieder neu. Ich bleibe also dran, einen Verlag zu finden.

So kann ein zufällig am Strand gefundenes Stück Rost subjektiv Sinn und Bedeutung gewinnen und vielleicht in der Rückschau einmal eine bestimmte Lebensphase symbolisieren. Und nicht nur ich, sondern auch alle, die meine Geschichte nicht nur oberflächlich teilen, werden das dann so sehen.

So wie die verändernde Kraft der Wogen auch einige Steinchen in dieses Stück Rost eingeschlossen hat, haften daran dann auch ein ganz bestimmter Sinn und eine ganz bestimmte Bedeutung, die für die, die sie teilen, ebenso in der Welt sind, wie für den lediglich objektiven Blick ein bloßes Stück Rost.

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